Hallo Sunrise,
Erstmal herzlich willkommen im Forum der Klettersteigverrückten.
Ich kann Anja nur zustimmen, du hast nichts falsch gemacht. Viele haben eben Urlaub und nutzen den um draußen Ihre Akkus wieder aufzuladen. Du erkennst die Leute die hier im Forum schreiben daran, dass Sie lieber Klettersteige gehen, als vor dem Computer zu sitzen.
Ich gebe dir mal meine Einschätzung zu dem Thema. Da du ja neu hier bist ist das nicht ganz so einfach. Keiner hier kann dich bzw. deine Fähigkeiten einschätzen. Wenn du dich hier ein bisschen umgesehen hast, wirst du feststellen, dass der Umgang miteinander hier sehr ehrlich ist. Heißt, das auch mal deutliche Worte gesagt werden wenn man der Meinung ist, dass sich jemand selbst oder andere in Gefahr bringen würde.
Also Glückwunsch zu deinem Vorhaben, die Watzmann Überschreitung ist eine der schönsten Touren in der Gegend. Aber:
Es ist kein Klettersteig im Klassischen Sinne, d.h. nicht durchgehend mit Stahlseil versichert. Es gibt gerade ab der Mittelspitze einige ungesicherte, technisch leichte Kletterstellen im Absturzgelände. Das ist für die meisten von der psychischen Seite sehr schwer machbar, erst recht wenn man den freien Blick in die Watzmann - Ostwand hat. Die Tour ist lange und ausgesetzt, die Schwierigkeiten beginnen wie gesagt ab der Mittelspitze, bis dahin ist man schon eine Weile unterwegs und je nach Kondition auch schon von der physischen Verfassung nicht mehr ganz frisch. Auch der Abstieg über die Geröllfelder hat es in sich. Es gibt keine Notausstiege während der ganzen Tour, ein schneller Abbruch ist daher nicht möglich. Daher muss man neben der eigenen Verfassung auch immer das Wetter im Blick haben (entsprechende Kenntnisse in der Wetterbeobachtung sind hier Voraussetzung). Die Wettervorhersage sollte natürlich auch entsprechend sein. Wenn es dumm läuft brauchst du ca. 4 Stunden zum Watzmannhaus oder ins Tal. Auch wenn die Aufnahmen von Ende Oktober 2016 sind, kann es im Sommer ab und an auch mal so dort oben aussehen.
Da dich hier niemand hier von den physischen und psychischen Voraussetzungen beurteilen kann, wird dir sicherlich auch niemand sagen "Klar mach einfach, wird schon schiefgehen" Das könntest du u.U. böse bereuen und derjenige würde sich dann auch noch Vorwürfe machen. Das braucht keiner. Wenn du dir einen Überblick über die Überschreitung verschaffen möchtest, unter YouTube findest du eine mehrteilige Reihe auf dem Channel von Real Adventure (nein ich bekomme keine Provision). Die Folge 5 mit der spektakulären Gratpassage zeigt eigentlich, was ich mit der Ausgesetztheit und dem ungesicherten Gehgelände gemeint habe.
Als kurze Zusammenfassung, mach erst mal deinen Kurs und schau mal wie du mit der Höhe und Ausgesetztheit klar kommst. Ein Kurs für das Klettersteiggehen ist auch empfehlenswert. Wenn du die Handhabung von Klettersteigset und sonstiger Ausrüstung im Schlaf beherrschst und an einigen talnahen Klettersteigen im Bereich B/C, C und C/D gut klarkommst, deine Kondition passt und du noch eine erfahrene Begleitung für die Tour hast, kannst du dich mit dem nötigen Respekt daran wagen.
Ich habe mich an die Tour gewagt, als ich bereits 4 Jahre Sportklettererfahrung und 5 Jahre Klettersteige bis Schwierigkeitsgrad D hinter mir hatte. Ich bin dann die 24 km mit ca. 2500 Hm rauf und das Gleiche wieder runter als Tagestour gegangen. Konditionell war ich danach am Ende. 11,5 Stunden reine Gehzeit mit entsprechenden Pausen von morgens 5:00 bis abends 19:20 ab Parkplatz Wimbachbrücke.
Es ist natürlich nicht die Eiger Nordwand, aber trotzdem eine hochalpine Unternehmung zu der etwas mehr gehört als nur der sportliche Teil, aber gerade das macht die Tour so grandios imho.
Ich hoffe die Einschätzung hilft dir weiter.
Hier noch einmal der Unterschied vom den Bedingungen her.
Grüße aus dem Großherzogtum Baden,
Heiko