Impressionen vom Pinut-Klettersteig
Manche Menschen sind ihrer Zeit einfach Jahrzehnte voraus. Christian Meiler (1865-1933) ist kein großer Name in Bergsteiger- und Touristikkreisen, aber seine Vision begann sich erst in den 1960er Jahren zu entwickeln und kommt heute zu seiner größten Blüte.
Etwa im Jahr 1905 kaufte er ein ganz besonderes Stück Land: Die Pinut-Wiese oberhalb von Fidaz in Graubünden. Diese Felskanzel ist oben wie unten von nahezu senkrechten Felswänden umgeben und nur sehr schwer zu erreichen. Der Heuertrag war unrentabel, aber Christian Meiler erkannte einen ganz anderen Wert: Die Aussicht.
Kurz nach dem Kauf baute er zusammen mit dem Italiener Alberto Dalioli den gefährlichen Zustieg mit soliden Eisentreppen aus, alles plante und finanzierte er selbst. Insgesamt verbaute er 12 Leitern mit 280 Sprossen. Jede Sprosse wog 2,650 kg. Der Hubschrauber war damals noch nicht erfunden, also musste das Material von Hand zum Berg geschleppt werden. Neben kleinen Bändern sprengte er in der sogenannten Höhle auch einen Stollen heraus. Nachdem er den Steig mit Geländern versehen hatte, war der Steig bereit für die touristische Nutzung. Sogar Murmeltiere und weiße Hasen setzte er auf der Pinutwiese aus, um die Attraktivität zu erhöhen.
Spektakuläre Bilder aus der Höhle
Doch dann kam 1914 der Große Krieg. Alberto Dalioli wurde im Gebirgskrieg gebraucht, wo er vermutlich auch den Tod fand. Die Touristen blieben fern und für Christian Meiler wurde sein großes Projekt wohl ein Verlustgeschäft. Im Zustieg links vom Meilerstein gingen jeden Winter Eislawinen nieder, die zu Reparaturen führten. Als Christian Meiler 1933 starb, nahm sich der Kurverein Flims bis 1950 des Steiges an. Als in den 1960er Jahren die großen Dolomitenklettersteige wie der Tomaselli oder die Giovanni Lipella gebaut wurden, gammelte der Pinut-Steig in Graubünden vor sich hin und geriet in Vergessenheit.
Im Jahre 1994 wurde der Steig wieder entdeckt, doch sollte es noch 13 Jahre dauern, bis er nach einer umfassenden Sanierung am 30. Juni 2007 wieder eröffnet wurde. Der Klettersteig wurde nur im untersten Teil auf die rechte Seite des Meilerturms verlegt, und erhält somit eine spannende Ouverture. Einzelne der von Meiler und Dalioli verbauten Treppenelemente sind auch heute noch vorhanden und sind Bestandteil des Klettersteigs.
Er ist von tiefer technischer Schwierigkeit, zugleich aber enorm ausgesetzt und bietet dadurch ein spektakuläres Ambiente. Damit ist er für Anfänger natürlich bestens geeignet. Jedoch nur unter der Bedingung, dass sie keine Höhenangst haben. Nicht nur der Aufstieg ist ein Erlebnis, sondern auch der Abstieg nach Bargis wartet mit einer enorm schönen Aussicht auf Piz Dolf, Piz da Sterls und Piz Barghis auf. Oben auf der Alm gibt es auch noch einen kleinen Selbstbedienungsladen, wo man sich verpflegen kann.
Jeder, der den Klettersteig Pinut begeht, wird bestätigen, dass es einen solchen Klettersteig nirgendwo sonst gibt. Und wenn man den geschichtlichen Hintergrund des Steiges kennt und weiß dass man den Spuren eines großen Klettersteig-Visionärs folgt, wird man die Tour nochmals mit ganz anderen Augen gehen.