Der Septemberurlaub in den Julischen Alpen sollte dazu dienen, große Gipfel auf langen anstrengenden Touren zu erklimmen. Aber manchmal macht halt das Wetter nicht mit und die Alternativen in der Gegend sind recht dünn gesät.
Zum Glück wurde im Sommer 2012 die „Via Ferrata Ten. Ferrante di Ruffano“ in Pontebba eröffnet. Hinter dem wohlklingenden Namen versteckt sich die eindrückliche Lebensgeschichte von Leutnant Antonio Ferrante di Ruffano, der 1936 an den Olympischen Spielen in Berlin teilnahm, den Kreuzzug der Italiener in Albanien miterlebte und die Versenkung der Galilea am 28./29. März 1942 überlebte. Er kämpfte in Stalingrad, wurde gefangengenommen und in Sibirien inhaftiert, wo er sogar Kannibalismus miterleben musste. Irgendwie überlebte er alle diese Gefahren und schrieb darüber ein Buch.
Ob der Klettersteig auch so eine Odyssee werden würde? Der Klettergarten am Rio degli Uccelli war einfach zu finden, doch die vorhandenen Stahlseile ließen unseren Atem stocken. Im rechten Wandteil führt der Steig spektakulär über eine Platte direkt unter einen Überhang. Danach geht es anhaltend in der Senkrechten weiter. Ob wir uns den Steig zutrauen durften? Zumindest würde der Abstieg leichter sein, denn die Stahlseile im linken Wandteil sind in geneigtem Fels angelegt.
Wir versuchten uns an der Einstiegsplatte und stellten bald fest, dass der Steig kräfteraubend ist. Obwohl immer mal wieder Stahlbügel im Steig vorhanden sind, dominieren Leisten und Platten, die man mit Reibung bezwingen muss. Ich drückte meiner Begleiterin die Kamera in die Hand und stieg in die abdrängende Querung hoch. Schnell stellte ich fest, dass die Bügel clever angebracht sind, sodass man jeweils beim Ankerpunkt gut umhängen kann. Aber dazwischen muss man viel Kraft aufwenden, um den nächsten Bügel zu erreichen.
Ein grasiges Band ermöglicht eine erste Ruhepause, bevor die Schlüsselstelle auf mich wartete. Die Bügelreihe täuscht Leichtigkeit vor, doch der Überhang ist knifflig zu meistern. Ausgerechnet der entscheidende Bügel fehlt, um die Stelle bequem zu überwinden. Also machte ich davor eine kurze Pause und wuchtete mich dann zügig hoch.
Nun wurde der Klettersteig merklich leichter. Der kleine Gipfel war schnell erreicht und ich machte mich an den Abstieg. Zwei Passagen im Abstieg fordern nochmals erheblichen Krafteinsatz, bevor der Steig ziemlich leicht ausläuft und eine schottrige Spur zurück zum Einstieg führt. Für den Klettersteig brauchte ich eine knappe Stunde.
Erstaunlicherweise endet der Steig nicht mit der Klettersteigpassage im linken Wandteil. Jetzt waren wir natürlich neugierig, was es mit den Sicherungen dort auf sich hielt. Wir stiegen hoch und folgten dabei den blitzblanken, neuen Umlenkern der Kletterrouten, die im geneigten Fels installiert sind. Ganz oben gelangten wir in steiles Waldgelände, wo die Sicherungen plötzlich aufhörten. Eine Wegspur führt weiter, sollte aber nur bei absoluter Trockenheit und sehr guter Trittsicherheit verfolgt werden. Wir werteten das Seilende als Sackgasse. Offenbar dient der Klettersteig in erster Linie dem Unterhalt der Umlenker und dem Retten von verlorenen Expressen.
Was gibt es außer den Klettersteigen noch zu entdecken? Der Klettergarten verfügt über einige Routen im 4.-6. Franzosengrad, die prima vista und ohne sie zu klettern mit etwas zu hohen Schwierigkeitseinstufungen dekoriert sind. Und dann gibt es noch einen Stollen, den wir mit Stirnlampen erkunden wollten, doch schon nach wenigen Metern wird daraus ein schmutziger Kriechgang, in dem wir unsere Kleider nicht versauen wollten. Falls jemand in Erfahrung bringt, wohin der Stollen führt, sind wir für die Information sehr dankbar.
Fazit: Der Klettersteig liegt so nahe an der Autobahnausfahrt Pontebba und ist so attraktiv, dass er für jeden Rimini-Urlauber, der gerade ein Klettersteig-Set im Auto liegen hat, zum Pflichtprogramm wird.
PS: „Uccelli“ bedeutet übersetzt „Vögel“, nur falls man sich über die Zeichnung im Topo wundert.