Ich hab schon immer einen Hang zu den nicht so bekannten Namen gehabt. Sowohl beim Klettern, wo die Routen oft gar nicht staubig genug sein konnten, wie auch beim Bergsteigen: Von wo aus sieht man die großen Berge am Besten? Von den kleinen Bergen

Deswegen hatte ich mir für diese Tour etwas "Exotisches" ausgesucht: 2 Klettersteige über Ischgl, auf die Greitspitz und die Flimspitz. Es gibt klanghaftere Namen als diese beiden Gipfel, und die Gegend um Ischgl ist auch nicht unbedingt Klettersteig-Eldorado, also hatte ich mir ausgerechnet dort eher allein zu sein. Schaun mer mal ...

Ich bin nicht mehr der jüngste, also habe ich mir die ersten 1000 Hm gespart und bin mit der Seilbahn zur Idalpe gefahren. Wobei der Andrang an der Talstation dem "eher allein zu sein" vollkommen entgegen stand. Von der Idalpe sind es dann noch ungefähr 300 Hm bisr zum Idjoch, genau die richtige Distanz zum Warmwerden und für die ersten Eindrücke.


Der erste Eindruck der Flimspitze


Auch die Greitspitze macht sich hübsch für den Tag


Ausblick in Richtung Fluchthörner

Was ich NICHT fotografiert habe sind die Auswüchse des ungebremsten Kapitalismus. Wenn das, was hier der Natur angetan wird, wenn das stattdessen einem Menschen angetan werden würde, wären die Medien voll ob der Misshandlung und die Rufe nach Strafen wären laut. Mein Fotoapparat hätte sich vor Schmerz verbogen, von daher muss dieses Bild ausreichen:


Laut Hüsler ist der Fels mit dem Kreuz die Westschulter mit 2.850 m, aber den höheren Hauptgipfel mit 2.872 links davon kann man sich getrost schenken ...

Vom Idjoch bin ich dann mit ziemlichem Tunnelblick über breite Schotterstraßen und Geröllhalden (Abraumhalden??) in Richtung Greitspitz und konnte auch tatsächlich den winzigen Hinweis nach rechts ausmachen. Noch ein wenig Gestochere im Schotter, und dann stand ich tatsächlich vor dem Einstieg.



Ich gebe zu, dass dies der erste schwierigere KS des Jahres war, und so habe ich mich von Beginn an hochgeflucht. Steile Platten, kaum natürliche Tritte, keine Griffe, sondern ein fast reines Hochziehen am Stahlseil. Zugegebenermaßen auf supergriffigem und festem Fels, der Stand war also immer in Ordnung, nur mein Empfinden nicht. Nach der ersten Platte kam dann eine Querung, und ich habe mich nicht zum ersten Mal in meinem Bergsteigerleben gefragt, warum ich nicht einfach Briefmarken sammle ...


Schaut definitiv einfacher aus als es ist!

Danach ging es weiter über Platten, Platten und nochmals Platten.

Zwischendurch immer wieder mal den Ausblick genießen, ganz wichtig!!



Nachdem ich eh schon am Rande der Verzweiflung war, habe ich mich an der Verzweigung dann für die rechte Variante entschieden, die leichtere. Und auch hier ging es plattig weiter ...





Endlich der Ausstieg ... So richtig Spaß hatte ich nicht. Und allein war ich auf dem Gipfel auch nicht, aber die Blicke der Seilbahntouristen bauen einen dann doch wieder gewaltig auf
Nichtsdestotrotz ist der Ausblick sehr schön, wenn auch nicht in alle Richtungen.


In Richtung Bürkelkopf und Flimspitze

Was mich sehr schockierte war, dass in den letzten Tagen Neuschnee runtergekommen sein muss. Der Muttler in der Samnaungruppe war ab etwa 3000 m verschneit. Am 31.08. ...



Im Abstieg dann, wieder in Richtung Idjoch auf dem Normalweg, macht die Greitspitze (also die mit Kreuz) dann doch noch ein wenig her:

Vom Idjoch geht es dann rechts schlecht markiert durch Blockgelände in Richtung Klettersteig Flimspitze. Das Gelände ist einfach zu gehen, wirkt aber alpin und macht durch den rauhen und festen Fels viel Spaß.


Noch mal ein Blick zum Muttler

Nach dem Blockgelände beginnt dann der gesicherte Klettersteig - mit Platten ...


Das Gelände ist aber deutlich geneigter und dadurch nicht so kraftraubend zu gehen. Nach einer ersten Rinne kommen ausgesetzte Querungen, bis man dann die Schulter erreicht.





Noch ein paar Meter Stahlseil, und der Gipfel mit 2.929 m war erreicht. Ich war allein dort oben, die Sonne schien, die Seilbahn war nur noch am Rand zu hören, und es war dann doch endlich das "eher allein zu sein"-Gefühl

Auch an diejenigen, die lieber ans Meer gefahren wären, ist gedacht: Das Gipfelkreuz in Form eines Steuerrads ist zumindest formschön ...


Beim Abstieg in Richtung Flimjoch mussten die Hände dann ein paar Mal aus den Hosentaschen ...

Anstatt dann von der Idalpe mit der Seilbahn zurückzufahren, entschied ich mich für den Abstieg zu Fuß. Ok, runde 1.600 Hm können auf die Knie gehen, aber es war erst füher Nachmittag, das Wetter hielt, und ich hat alle Zeit der Welt. Warum also nicht? Zum Teil ziemlich steil geht es auf steinigen Mountain Bike-Pisten so richtig nach unten, aber kurz vor Ischgl wurde ich für die Entscheidung dann belohnt. Zuerst mit einer ganz bezaubernden Natur (ab der Oberen Velillalpe hatte ich nicht mehr das Gefühl im Skigebiet zu wandern, sondern wurde von wunderschönem Bergwald verzaubert), und nach der unteren Velillalpe kam dann der Erlebnisweg. Ein kleiner Wasserfall (ich LIEBE Wasserfälle) ...


... ein Motorrad ...


... und die Hängebrücke Bärenfalle ...






Die Brücke ist aus Stahl, aber freihängend gebaut und schwankt. Ja, so kann auch ich mit dem Wort "Bergerlebnis" was anfangen. Der Naturverbrauch hält sich schwer in Grenzen, der Schauwert (Blick auf den Zimbabach) ist gegeben, und es hat nichts mit Tempo zu tun. Was ja heute offensichtlich das Maß aller Dinge ist ...

Ischgl selber ist dann eine Ansammlung von Scheußlichkeiten und Abnormitäten, und würde mal jemand Ischgl an Nordkorea verkaufen, ginge der Welt nichts verloren.

Fazit dieses Tages mit einer Nacht Abstand: Eine toller Tag, eine wunderschöne Tour, und ich hatte bei aller Flucherei viel Spaß (trotz allem was ich weiter oben geschrieben habe. Und ich war ab dem Einstieg zur Flimspitze auch völlig alleine, womit meine Erwartungen also tatsächlich erfüllt wurden. Aber ein wenig mehr Übung tät mir gut ...

Maulwurf schrieb:
Ich schlage vor, Sölden gleich mitzuverkaufen!

Danke für deinen schönen Tourenbericht...

Auch von mir ein Dankeschön! Die Steige selbst sehen attraktiv aus, auf deinen Fotos! Wenn ich mal wieder im Raum Landeck bin...
Könntest du in je einem Kurzkommentar zu den beiden Steigen auf diesen sehr informativen Tourenbericht verweisen?
Ja, es gibt Landschaften, die sehen im Winter besser aus als im Sommer

Danke euch beiden für die freundlichen Worte! Dies ist mein erster Tourenbericht hier und ich übe ja noch

Hansi Hinternseher schrieb:
Ist geschehen

Für den ersten Tourenbericht legst du aber schon ein ziemliches Niveau vor.

Vielen Dank für die großartige Nachbereitung.

Auch von mir ein Lob
Schön wenn man auch mal nen Fokus auf die unschönen Dinge legt, worum man gerade in der Gegend auch kaum drum herum kommt, und mal zeigt wie die durch den Skizirkus devastierten Flächen im Sommer aussehen.
Mich persönlich erinnert das ein kleines bisschen an die Umgebung des Mount St. Helens (ohne jemals da gewesen zu sein, aber solche Bilder kennt jeder), wo jede Menge fläche einfach weg gestampft wurde.
Aber wenn solche Ecken als "Wirtschaftsfläche" gesehen werden kann das ja nur so enden...

Grüße,
Dan

Auch euch beiden vielen Dank für das Lob! Ich freu mich ...!!

beeler schrieb:
Na ja, ihr macht ja vor wie es aussehen kann, und ich versuche hinterherzuhecheln. Die Sache mit den Schreibfehlern muss ich halt noch in den Griff bekommen