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THEMA: Der Hexensteig - ein langgehütetes Geheimnis!

Der Hexensteig - ein langgehütetes Geheimnis! 21 Mai 2013 21:06 #1

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Es war Herbst 2005 und ich hatte eben mit der Via Ferrata del Diavolo meinen siebten Klettersteig absolviert. Als ich im Bergsportgeschäft in Andermatt mein gemietetes Klettersteig-Set zurückgab, erzählte man mir unter der Hand von einem weiteren Klettersteig, der sich oberhalb von Silenen befinden solle. Im Internet waren dazu aber keine Hinweise zu finden.

In den folgenden Jahren erhielt ich immer wieder spärliche Informationen über diesen Klettersteig. Hexensteig solle er heißen und in den Klettersteig komme man nur über eine Tyrolienne. Nach wie vor tauchte er weder im Internet noch in den Klettersteig-Büchern auf.

Ich entschied, diesen geheimnisumrankten Klettersteig nicht bekannt zu machen, denn irgendwie schienen die Erbauer es nicht auf hohe Besucherzahlen anzulegen. Als der Klettersteig jedoch im Sommer 2012 im Klettersteig-Atlas von Eugen Hüsler auftauchte, entschied ich, den Steig auch auf www.klettersteig.de anlegen zu lassen.

An Pfingsten 2013 waren wir nun vor Ort. Die erste Mutprobe liegt schon 10 Meter vom Auto entfernt, welches man in Silenen bei der Chilcherbergen-Luftseilbahn abstellt. In der Station gibt es ein Telefon, mit dem man den Betreiber der Seilbahn anruft. Dann setzt man sich in eine überdachte Holzkiste und lässt sich sehr luftig ca. 400 Höhenmeter bergwärts seilen. Das völlige Fehlen von Fenstern oder automatischen Riegeln und die Höhe der Seilbahn ist nichts für ängstliche Gemüter. Doch wer die Seilbahn mental nicht packt, der ist auch im Hexensteig fehl am Platz.

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An der Bergstation bezahlten wir günstige 6 Franken für die Fahrt. Im kurzen Schwatz mit dem Seilbahn-Betreiber erfuhren wir, dass es den Klettersteig schon seit 2002 gibt. Der Steig wurde von Privaten gebaut und wird durch ein paar junge Leute in Schuss gehalten. Wir waren schon sehr gespannt, wie wohl ein Klettersteig aussieht, der nicht durch einen Alpenclub, eine Touristenhochburg oder einen Klettersport-Ausrüster erbaut und betrieben wird.

Der Weg zum Klettersteig ist nicht besonders gut markiert, aber gute Wegspuren und rote Striche auf den Steinen weisen den Weg. Wir folgten im Wesentlichen dem Wanderweg zum Seewli, das auch auf gelben Wegweisern angeschrieben ist. Der Weg führt erst über Wiesen, dann über einen Bach, direkt danach weiter bergan über Wiesen und schließlich ein längeres Stück durch den Wald. Nach einer knappen Stunde Aufstieg erreichten wir einen frisch erbauten Unterstand aus Holz. Von hier sind es bis zum Wandfuß noch 10 Minuten.

Dort weist ein blauer Wegweiser nach links zum Einstieg. Es ist der perfekte Platz, um die Gurte und Klettersteig-Sets anzuziehen. Wir folgten dem Wandfuß nach links und querten zu einigen deutlichen Rissen im Fels. Ausgerechnet der dritte und engste Riss ist der Einstieg zum Klettersteig. Wir steigen ins Berginnere und während wir uns der Seilbahn nähern, kommt Höhlenfeeling auf. Zwei liebevoll gestaltete Tafeln erläutern die Ursprünge des Hexensteigs und das Verhalten auf dem Steig. Die Seilbahn überwindet man, indem man die fest installierte Rolle am Seil zu sich zieht, sich in den Karabiner einhängt, in den Klettergurt setzt und sich auf die andere Seite hinüberzieht. Das Praktische dabei: Durch diese Installation wird verhindert, dass jemand ohne Sicherungen einsteigt. Auch überängstliche Personen werden hier ausgesiebt.

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Auf waagerecht liegenden Baumstämmen kletterten wir innerhalb des Berges ein paar Meter hoch. Besondere Vorsicht ist direkt nach dem ersten Baumstamm geboten, denn hier liegt ein menschliches Skelett in der Ecke – bitte nicht erschrecken lassen! Die Baumstammpassage geht direkt in eine senkrechte bis überhängende Wand über. Diese Wand ist zwar komfortabel mit Stahlbügeln gesichert, erfordert aber einige Armkraft. Steinschlag ist hier nicht möglich, doch wer vorsteigt, sollte vermeiden, den feinen Staub auf den Felsen abzulassen. Der Nachsteigende könnte sonst ziemlich viel davon in die Augen kriegen.

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Wir begegneten nun der Pfaffenhexe, grüßten sie und stiegen kurz aus dem Berg hinaus ans Licht, bewältigten eine recht ausgesetzte Stufe und stiegen wieder ins Berginnere. Es folgte ein verwinkelter Aufstieg an Bügeln, wo wir uns meist in die Felsen reinspreizen mussten. Danach lässt der Klettersteig wieder einen Abstecher ins Freie zu. Wer will, kann über einen Baumstamm in eine ausgesetzte Wand hinaussteigen und dort auf einer Sitzbank eine luftige Brotzeit zu sich nehmen.

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Der Klettersteig setzt sich im Berginneren fort. Durch ein System von Rissen stiegen wir über Stahlbügel und auf Baumstämmen weiter hoch. Hier waren die Baumstämme feucht und enorm rutschig. Wir erreichten eine Halle, in derer Mitte ein senkrechter Baumstamm montiert ist. Diesen stiegen wir auf den dünnen Ästen hoch und erreichten über drei weitere waagerechte Baumstämme den Ausstieg. An der Oberfläche führen die Stahlseile zum Steigbuch, wo Bänke und ein Tisch dazu einladen, sich von den Strapazen auszuruhen.

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Nach dem Steigbuch stiegen wir noch etwa 5 Minuten bergaufwärts und stiegen dann gegen rechts wieder vom Pfaffen herunter, wobei sich ein grandioser Ausblick auf mächtige Kalktürme eröffnete. Nach kurzer Zeit erreichten wir den Wanderweg zum Seewli. Wer will, kann sich dort an einer Quelle erfrischen. Ein Krug zum Trinken ist vorhanden. Es folgte der Abstieg zur Seilbahnstation auf den Chilcherbergen. Die Seilbahn ist bei der Talfahrt noch einen Tick aufregender als bei der Bergfahrt.

Nach dem Krokodil-Klettersteig zeigt auch der Hexensteig sehr deutlich: Wenn ein Urner etwas in die Hände nimmt, dann entsteht daraus ein schönes und einzigartiges Werk. Es gibt kaum Klettersteige, die im Berginneren verlaufen, doch der Hexensteig ist enorm schön und abwechslungsreich angelegt. Das Klettern und Balancieren über Baumstämme macht Spaß, auch wenn man sich im oberen Teil einen Quarzsand-Belag auf den Stämmen wünschen würde, damit man nicht abrutscht. Der Steig ist mit viel Liebe und Herzblut angelegt, was sich besonders auch am Steigbuch deutlich zeigt: Es enthält wunderschöne Zeichnungen und ein mit aufwändiger Kalligraphie geschriebenes Gedicht.

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Wir fürchten bloß, dass es nun nach elf Jahren mit der Ruhe der Pfaffenhexe vorbei ist, denn die Besucherzahlen werden steigen. Ganz bestimmt! Und als ob sich die Geschichte wiederholen würde, habe ich an Pfingsten 2013 von einem weiteren neuen, geheimnisvollen Klettersteig im Kanton Uri erfahren…
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Der Hexensteig - ein langgehütetes Geheimnis! 21 Mai 2013 21:29 #2

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Danke, schöne Bilder, tolle Beschreibung....
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Der Hexensteig - ein langgehütetes Geheimnis! 22 Mai 2013 19:04 #3

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Ein Steph-Tourenbericht ist nur vollständig, wenn das Topo dabei ist.

Et voilà:

AJ_Hexe_Topo2.jpg
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