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THEMA: Ich und mein Namensvetter...

Ich und mein Namensvetter... 10 Sep 2012 09:48 #1

  • der Dan
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kurze Rückblende: Vor knapp 3 Jahren bekam ich eine Postkarte von meinen Eltern aus Ehrwald. Es ist eine dieser gemalten 3D 45Grad Bergpanorama Ansichten, darauf sind die Namen einiger Gipfel gedruckt. Einen hat meine Mutter mit Kugelschreiber unterstrichen: „Daniel“
Huch der heißt ja so wie ich, denke ich und fasse sofort den Plan da mal rauf zu gehen. 2340M ist auch überschaubar. Wenn er schon meinen Namen trägt muss ich da wohl rauf... wie gesagt das ist 3 Jahre her und seit dem hab ich das immer wieder mal ins Auge gefasst aber, viele werden das kennen, man verschiebt es immer wieder mal.
Meine Freundin besucht Verwandschaft und ich hätte eine gute Gelegenheit die gemeinsame Wohnung in ein heilloses Chaos zu stürzen, da ich aber die Konsequenzen kenne, packe ich meinen Rucksack und setze mich ins Auto.

Nach einigem Stau, den ich ungeduldig in meinem Auto ohne Klimaanlage ertrage, komme ich erst später als geplant etwas zermürbt in Lermoos an. Das Wetter ist einfach perfekt, wie angekündigt ist keine Wolke zu sehen. Am nächsten Morgen gehe ich später als geplant los, aber ich hab Zeit, bin allein unterwegs und muss mein Tempo niemandem anpassen. Mein Etappenziel soll zunächst die Tuftl Alm sein. Ich entscheide mich für den Roten Weg der im Gegensatz zum Fahrweg zur Alm etwas steiler ist aber ungleich schöner.

Bild2.JPG


nach kurzer Zeit komme ich, äh , mein Namensvetter in Sicht. Etwas unscheinbar kommt er daher.

Bild1.JPG


Der Weg führt durch den Wald, schattig, aber leider mit wenig Aussicht. Hin und wieder geben Lichtungen Gelegenheit einen Blick auf die gegenüber liegenden Berge zu werfen. Sonnenspitze, Grubigstein, und natürlich das Zugspitzmassiv.

Bild3.JPG


Immer öfter geht es jetzt über Wiesen, und merklich ändert sich die Sicht, man kommt immer mehr auf Augenhöhe mit der umliegenden Landschaft

Bild4.JPG


Nach etwa 1 ½ Stunden, wie gesagt, mein Tempo ist heute eher gemütlich komme ich an der 1500m hoch gelegenenen Tuftl Alm an. Es ist schon ein wenig was los, um die Alm haben sich die Kühe (Deren Milch man übrigens auf der Alm kosten kann) idyllisch in Szene gesetzt. Eine Bild- und Klangkulisse wie aus einem kitschigen Heimatfilm.

Bild5.JPG


Nach 30 minütiger Pause laufe ich weiter. Der Rote weg führt hier hinter der Alm weiter, zunächst über die Weide und an der kleinen Kapelle entlang, dann wieder in den Wald.
Ab der Alm habe ich jetzt noch etwa 850 Höhenmeter vor mir. Das sollte in 2 ½ Stunden machbar sein, und so steht es auch auf den Wegweisern. Aber aufgrund meines gemütlichen Tempos rechne ich mit 3 Stunden. Unter anderem auch deshalb, weil ich immer wieder kurz zurückblicke, denn die Aussicht wird immer atemberaubender. Mir geht durch den Kopf, daß ich für fast die Gleiche Distanz von Heidelberg nach Lermoos auch nach Grindelwald fahren könnte und Aussicht auf Eiger und seine benachbarten 4000er haben könnte und insofern ist das hier eine kleine Liebeserklärung an Wetterstein und die Ammergauer.

Bild6.JPG


Der Weg wird steinig und schrofiger, ist von Wurzeln durchzogen. Vielleicht bin ich abgelenkt durch die Landschaft, vielleicht ist es mein gemütliches Tempo, vielleicht einfach nur Zufall. Doch nun passiert es. Auf einer Wurzel knicke ich mit dem Fuss um. Nicht so richtig, nur leicht. Aber genug daß es einen kurzen Moment zieht. Glück gehabt, denke ich. Dann aber, nur wenige Schritte danach ein zweites mal. Immernoch Gück gehabt.

Bild7.JPG


Noch knapp 300 Höhenmeter habe ich jetzt noch vor mir. Die Baumgrenze hat mir inzwischen den Schatten genommen, und ich spüre die Schattenseite dieses perfekten Wetters. Da musst du jetzt durch, sage ich mir und im gleichen Zug beginnt mein Fuß sich mit leichten Stichen im Gelenk immer wieder zu melden. Ich denke darüber nach während ich weiter gehe und hoffe daß es wenigenstens nicht schlimmer wird. Etwas mehr als 1 Stunde plane ich jetzt für den restlichen Weg zum Gipfel ein. Die Tatsache daß inzischen nur noch Bergsteiger im Abstieg mein „Servus“ und „Grüß Gott“ erwidern, ruft mir in Erinnerung daß ich wohl wenig Hilfe zu erwarten habe wenn ich oben war und mein Fuß sich möglicher weise verschlimmert, das zwingt mich auf die Uhr zu sehen. „Meine Güte, 15 Uhr“ sage ich mir. Das wird Spät. Nach weiteren 200 Höhenmetern ist mein Fuss zwar nicht unerträglich, aber er lässt mich kontinuierlich wissen daß er etwas Ruhe und Pflege will.
Ich habe noch fast 100 Höhenmeter bis zur Upsspitze und anschließend noch den Grat von 500m zum Daniel vor mir, ich sehe das inzwischen schwierigere Gelände an. Es besteht aus stellenweise aus Blöcken und wirkt in anbetracht meines angeschlagenen Fußen fast schon bedrohlich. Ich setze mich hin.
Meine Optionen sehen so aus: Weitergehen und mit vermutlich starken Schwerzen viel zu spät ankommen und den übermorgen beginnenden Gardaseeurlaub riskieren. Oder runter und das alles im Rahmen des erträglichen halten.

Von irgendeinem Profi Bergsteiger hab ich mal einen Satz gelesen, der ging in etwa so: „Bergsteigen und Klettern ist im Grunde die schlussendliche Akzeptanz des Scheiterns.“

Und ich denke den Satz noch weiter und belasse es damit. „Wenn ich es akzeptiere, ist es somit kein Scheitern.“
Ich sitze noch ein weilchen da und trauere um „meinen“ Gipfel, es ist kein 4000er, kein 8000er, der Gipfel ist nicht mal besonders berühmt oder bekannt. Er ist nur ein 2000er, der zufällig meinen Namen trägt. Ein Foto aus der nahen Entfernung vor dem Abstieg muss mir dieses mal reichen, hier ist es:

Bild8.JPG
je genauer du planst, desto härter trifft dich der Zufall.

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Ich und mein Namensvetter... 10 Sep 2012 12:25 #2

  • tom77
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Danke für den Bericht und die schönen Bilder :)

Das ist zwar "nicht meine Gegend" schaut aber sehr eindrucksvoll aus, ich mag ja auch solche Touren - muss nicht immer ein "wilder KS" sein....

mit dem Umknacksen ist halt blöd gelaufen - aber da gibt es weit Schlimmeres - und ich weiss jetzt nicht mehr vom welchen Bergsteiger der schlaue Satz stammt: "Wirklich gescheitert ist man am Berg nur dann wenn man gar nicht mehr zurück kehrt" aber da ist schon etwas Wahres dran und daran sollte man immer denken wenn mal eine Tour nicht ganz so 100% klappt wie man sich das vorgestellt hat...
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Ich und mein Namensvetter... 12 Sep 2012 19:16 #3

  • kletterkiki
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Danke für deinen Bericht und "Daumen hoch" für deine Entscheidung. Ich kenne das Gefühl sehr gut... und auch die Enttäuschung, den Gipfel nicht erreicht zu haben. Aber: Die Berge rennen nicht weg!!!
"Ich wurde oft falsch verstanden. Häufig unternahm ich Dinge, die für andere eine Provokation waren."
Walter Bonatti (1930-2011)
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